Abhängig machen?!

In einer Mittagspause vergangen Woche, bin ich bei YouTube über eine Prophetie gestossen, die mit dem Coronavirus zu tun hatte. Sinngemäss ging es darum, dass Gott sich wünscht, dass wir uns in diesen «corona»-angstvollen Zeiten abhängig machen sollen von ihm.

Beim Zuhören stellte ich mir folgende Fragen:

Was heisst denn eigentlich abhängig sein von Gott? Was ist gemeint, wenn wir davon reden, wir sollen uns abhängig machen von ihm?

Um ganz ehrlich zu sein. Ich stehe vor einem Berg von Gedanken und entdecke wie wenig ich diese Worte mit Sinn füllen kann.

Für mich ist diese Formulierung zu einer Floskel geworden. Ich habe das so oft in dieser und anderen Situationen gehört, dass meine Ohren zwar hören, aber mein Herz nichts mehr anfangen kann damit.

Deshalb habe ich beschlossen euch mitzunehmen, diesen Gedankenberg zu besteige. Was könnte Gott meinen, wenn er sich Abhängigkeit von uns wünscht?

Bei Abhängigkeit muss ich zuallererst an ein Baby denken. Es ist darauf angewiesen, dass da jemand ist, der das Baby liebt und sich kümmert. Andernfalls ist es verloren. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes vollkommen abhängig von seinem Umfeld.

Durch meine Arbeit mit HeartSync höre ich viele Biographien, die das nicht so gut erlebt haben. Es sind Menschen die emotional oder ganz praktisch von ihren Eltern nicht versorgt wurden. In den wenigsten Fällen absichtlich. (Aber nur weil Eltern etwas nicht mit Absicht machen, heisst das nicht, dass es nicht schmerzliche Folgen hat für die Kinder!)

Bei Abhängigkeit muss ich auch an einen Bergsteiger denken, der davon abhängig ist, dass der Fels nicht bröckelt, der Haken hält und /oder sein Mitbergsteiger das Seil sichert.

Abhängigkeit assoziiere ich zudem mit Zahnrädern in einer Uhr. Jedes Zahnrad ist darauf angewiesen, dass die anderen funktionieren. Sonst klappt das grosse Ganze nicht. Sie sind voneinander abhängig.

Mir fällt auch das ganze Thema Drogen ein. Weil Drogen versprechen zu betäuben, zu entspannen, zu vergessen und das Leben erträglicher zu machen, ziehen sie Menschen in ihren Bann. Früher oder später kann man nicht mehr ohne, dann nennen wir es Abhängigkeit.

In meinem Kopf entsteht ein Wortspiel. Ab-hängig wird zu ab-hängen.

Zeit mit Freunden verbringen, Wäsche abhängen, ein Bild von der Wand nehmen …

Sind all diese Gedanken an dieser Stelle sinnvoll? Wahrscheinlich nicht, aber sie sind Teil des Gedankenberges.

Je länger ich den Berg hinaufsteige merke ich, dieses Wort ist in meinem Kopf vor allem negativ besetzt oder zumindest mit Risiken verbunden.

Ich weiss, dass meine eigene Biographie einiges zu dieser Schlussfolgerung beiträgt. Vielleicht ist das Thema bei mir noch ein bisschen negativer besetzt als bei anderen.

Und trotzdem bin ich sicher, dass bei uns allen «abhängig sein» eine gewisse Spannung auslöst. Es ist nichts, was wir natürlicherweise anstreben.

Unabhängig sein ist ein sehr wichtiger Wert in unserer Gesellschaft. Wir streben z.B. nach finanzieller Unabhängigkeit.

Grundsätzlich wollen wir uns immer weniger binden in einer Beziehung, an einen Job, an einen Wohnort. Immer mehr Menschen träumen vom VanLife. Wohnen und Arbeiten in einem mobilen Zuhause, um ortsunabhängig zu sein. Immer mehr Paare, die den Bund fürs Leben meiden, um unabhängiger bleiben zu können. Ich denke, es gibt etliche Beispiele dafür, dass wir lieber unabhängig als abhängig sind.

Und in das hinein wirbt Gott um … um was wirbt er denn?

Wirbt er nicht darum, ein Beziehungspartner sein zu dürfen? – Als Vater und Mutter, Freund, Liebespartner, Berater, Tröster. All diese Beziehungsformen brauchen Abhängigkeit.

„Leg mich wie ein Siegel an dein Herz, wie ein Siegel an deinen Arm…“ – König Salomo

In meinem Herz macht sich ein Gedanke breit. Ich möchte ihn mit euch teilen, obwohl er vielleicht ein bisschen unverschämt klingt.

Sich in so eine Abhängigkeit zu begeben, wie Gott sich das wünscht, ist sehr risikoreich. Macht Gott sich auch abhängig? Dann würden wenigstens beide Partner dasselbe Risiko eingehen. Das wäre für mich irgendwie fairer.

Während ich es wage, diese Frage zu stellen, bemerke ich, ja, er macht sich abhängig. «Matthäus 10, 40: Wer euch aufnimmt, nimmt mich auf, und wer mich aufnimmt, nimmt den auf, der mich gesandt hat.» Er macht sich abhängig von dem Bild, wie wir ihn repräsentieren. Jeder Mensch präsentiert eine Facette von Gott. Und er legt es in unsere Hände, wie wir diese Facette ausleben.

Er vertraut uns Babys und Kinder an und macht sich dadurch abhängig, dass wir uns gut um seine Kreaturen kümmern. «Markus 9, 37: Wer eins von solchen Kindern aufnimmt, der nimmt mich auf, und wer mich aufnehmen wird, nimmt nicht mich auf, sondern den der mich gesandt hat.»

Er hat es gewagt sich abhängig von uns zu machen, indem er uns die Wahl lässt, ob wir ihn lieben. Und ob wir eine Beziehung mit ihm haben wollen. Er ist sozusagen abhängig davon, dass wir zurücklieben.

Es gab diesen Moment in dem ich meinem Mann eröffnet habe, dass ich mich in ihn verliebt habe. Da war ich so verletzbar und abhängig von seiner Reaktion, ob mein Herz bricht oder ich glücklich werde. Genau das Problem hat Gott doch auch. Er ist abhängig davon, ob wir ihn glücklich machen oder wir ihm das Herz brechen.

Zurück zum Wunsch von Gott an uns.

Nach dieser Bergtour mit euch glaube ich nicht mehr, dass es Gott um «sich abhängig machen» geht. Ich glaube, er wünscht sich eine Beziehung mit uns! Und da gehört gegenseitige Abhängigkeit dazu!

Gott geht einige Gefahren ein, um eine Beziehung mit uns haben zu können. Er geht das Risiko ein, dass wir sein Herz brechen, er muss mit diesem Bild leben, dass wir von ihm repräsentieren …. – Alles weil er mit uns zusammen sein will. Wow.

Mir macht dieses Abhängigkeitsding Angst. Aber unser Bergaufstieg hat mir ein bisschen Mut gemacht, dass Gott der beste Partner ist für solch ein Wagnis. Es stimmt, wir lieben, weil er uns zuerst geliebt hat. Und bei der Frage nach abhängig machen, geht es um die Frage nach lieben und mich lieben lassen! Ich will es ein bisschen mehr wagen.

Wie geht es dir mit dem Begriff Abhängigkeit? Hast du so viel Respekt davor wie ich? Lass es mich wissen …