Moral, wichtig für uns?!
“You don`t need religion to have morals. If you can`t determine right from wrong, then you lack empathy, not religion. – Du brauchst keine Religion um Moralvorstellungen zu haben. Wenn du nicht feststellen kannst was richtig und falsch ist fehlt dir Empathie, nicht Religion.»
Dieses Zitat habe ich vor kurzem gelesen und mich entschieden, dass das der Aufhänger für meinen nächsten Blogpost wird.
Worum geht es bei meinem christlichen Glauben? Warum muss derjenige, der diesen Satz schreibt, so klar formulieren, dass es für Moralvorstellungen keine Religion braucht?
Bei mir fängt eine Warnglocke an zu läuten.
Es geht zwar je länger je weniger um Moral in meinem Glauben, aber wenn ich zurückdenke, muss ich mir eingestehen, dass es ein zentrales Thema war.
Ich dachte lange, ich bewege die wichtigsten Fragen des Christseins:
Wie weit darf man Sexualität ausleben, bevor man verheiratet ist; ist es Sünde, wenn ein armer Familienvater kein Geld mehr hat und deshalb Lebensmittel stielt, um seine Familie zu versorgen; ist Nichts sagen lügen; muss man nicht eingescannte Ware (also dadurch nicht bezahlte Ware) in den Laden zurückbringen; muss ich den 10ten Teil meines Verdienstes abgeben und wenn ja, rechne ich vom Brutto- oder vom Nettolohn; sind Sorgen Sünde; wie tief darf mein Ausschnitt sein als Christin; sind Piercings vom Teufel usw.?
Während ich diese Fragen aufs Papier bringe, fange ich an mich zu ärgern.
Wieviel Zeit habe ich damit verschwendet, über diese und andere Fragen nachzudenken und habe dabei verpasst, worum es eigentlich geht.
Und ich werde wütend auf meine bisherigen Vorbilder und Leiter. Sie haben mich dabei unterstützt und gefördert mir Gedanken über moralische Werte zu machen, statt mir zu erklären, worum es eigentlich geht.
Wir haben einen Gott, der sich selbst lieber Vater nennt.
Wir glauben daran, dass Gott bedingungslos liebt und mit uns mitleidet.
Und wir haben einen Gott, der über uns sagt, dass wir seine Freunde sind.
Das ist doch ein Beziehungsangebot durch und durch. Dabei steht keine Moral im Raum. Und es geht aus meiner Sicht an keinem Punkt um richtig oder falsch. Es geht darum, dass Gott uns das anbietet, wonach sich jeder sehnt.
Wir sind ab unserer ersten Lebenssekunde auf Beziehung angelegt. Wir sind durch eine Nabelschnur verbunden mit einem Menschen, der uns im besten Fall neun Monate in sich trägt. Damit wir geschützt wachsen und uns entwickeln können bis wir lebensfähig sind. Das ist für mich schon Beziehung.
Und ab dem ersten Tag ausserhalb des Mutterleibs brauchen wir wieder Beziehung – auch Bindung (Bonding) genannt. Ein Baby braucht die Fürsorge, Nähe und Interaktion mit einer Bindungsperson. Findet das nicht oder nicht ausreichend statt, leidet das Baby Schaden. Egal ob Eltern das bewusst oder unterbewusst nicht leisten können, für das Kind hat es grundlegende Folgen fürs ganze Leben.
Ich denke, daran kann man gut erkennen, dass Gott uns grundlegend zu Beziehungswesen geschaffen hat, die Gemeinschaft brauchen und sich danach sehnen.
Und ich bin glaube, dies ist der Grund warum so viele Lieder, Filme, Bücher, Bilder und Lyrik die Sehnsucht nach Beziehung thematisieren.
Gott hat uns zu Liebe hin geschaffen.
Und über alles Vermögen oder Unvermögen unserer Eltern hinaus, bietet uns Gott diese Beziehung an. Beziehung, die erfüllt und Sicherheit gibt.
Moral und Gesetz sind aus meiner Sicht nur ein Ersatz.
Ich kann dies herauslesen, wenn ich die Geschichten vom Volk Israel in den Mosebüchern betrachte.
Gott wirbt immer wieder um das Volk, das er sich ausgesucht hat.
Schauen wir uns die Geschichte rund um die 10 Gebote an.
Gott sagt zu Mose in 2. Mose 19, 9 dass er in einer dichten Wolke kommen will, damit das Volk hört, wie er mit Mose redet und ihm glaubt. Mose soll dafür das Volk am Berg versammeln.
Nachdem er das gemacht hat und auf den Berg gestiegen ist, könnt ihr in 2. Mose 20 lesen wie Gott Mose von den 10 Geboten erzählt. (Ist euch schon mal aufgefallen, dass Gott beim ersten Mal auf dem Berg nur mit Mose redet? Es entstehen an dieser Stelle noch keine Steintafeln.)
Und dann passiert, was mich immer wieder erstaunt wenn ich es lese. Die Verse 18 und 19: Blitz, Donner, Posaunen und der rauchende Berg erschrecken das Volk so sehr, dass sie fliehen und folgendes zu Mose sagen: «Rede du mit uns, wir wollen hören; aber lass Gott nicht mit uns reden, wir könnten sonst sterben.»
Ab da steht das Volk ein Stück entfernt und Mose geht in die Wolke, um mit Gott zu reden. Das bedeutet, ab da übernimmt Mose die Aufgabe des Vermittlers.
Im 2. Mose 31, 18 können wir dann lesen, wie Mose nach 40 Tagen mit Steintafeln zurück kommt.
Dies war die Geburtsstunde des Gesetzes.
“ Die Moral ist immer die Zuflucht der Leute, welche die Schönheit nicht begreifen. “ – Oscar Wilde
Wenn ich über diese Geschichte nachdenke, stelle ich mir immer dieselben Fragen:
Was wäre passiert, wenn sich das Volk anders entschieden hätte?
Das goldene Kalb ist während der 40 Tage entstanden. Hätte das Volk das gebaut und gebraucht, wenn sie Gottes Stimme ausgehalten hätten und nicht geflohen wären?
Warum hat Gott sich seinem Volk gegenüber so bedrohlich dargestellt ? Hätte er sich nicht anders zeigen können? Z.B. wie bei Jakob als er mit ihm gekämpft hat – das wäre vielleicht nahbarer und weniger furchteinflössend gewesen.
Könnte es sein, dass Gott schon damals umsetzen wollte, was er dann Jeremia und Hesekiel verheissen hat.
«Das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel machen will nach dieser Zeit, spricht der HERR: Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben; und sie sollen mein Volk sein, so will ich ihr Gott sein; «Jeremia 31, 33
«Und ich werde euch ein neues Herz geben und einen neuen Geist in euer Inneres geben; und ich werde das steinerne Herz aus eurem Fleisch wegnehmen und euch ein fleischernes Herz geben. Und ich werde meinen Geist in euer Inneres geben; und ich werde machen, dass ihr in meinen Satzungen wandelt und meine Rechte bewahrt und tut.» [Hes. 36,26-27]
Angefangen habe ich mit dem Thema Moral.
Ihr Lieben, ich bin sicher für Gruppe, Gesellschaft und Zusammenleben im Allgemeinen ist es notwendig moralische Fragen zu stellen und sich mit Regeln zu beschäftigen, damit wir gut zusammenleben können. Wir brauchen Leitplanken, um die fehlenden und zerbrochenen Beziehungen zu ersetzen. Anders geht es nicht, das ist mir klar.
Aber wenn wir in unserem Glauben bei diesen Fragen stehen bleiben, oder noch schlimmer, glauben, dass es darum geht, verpassen wir Gott. Wir verpassen den Grund unseres Lebens.
Wir schauen auf steinerne Gesetzestafeln und versuchen, sie zu interpretieren. Im besten Fall haben wir dann einen Mose, der als Stellvertreter das Gespräch mit Gott führt und uns sagt, was wir zu tun und zu lassen haben.
Gott sehnt sich nach Beziehung.
Er will, dass wir in Beziehung sind zu unserem Herzen, zu unserem Körper, zu andern Menschen und zu ihm. All das will er wiederherstellen, heilen und erlösen. Deshalb ist er Mensch geworden, hat Folter über sich ergehen lassen, ist gestorben und wieder auferstanden.
Je mehr wir das fokussieren in unserem Glauben, um so weniger Moral und Gesetz brauchen wir. Und je besser und tiefer unsere Beziehung zu Gott wird umso mehr sind wir eine Antwort auf die Fragen unserer Welt. Dann können wir Gesellschaft wirklich verändern, denn wir wissen, dass Moral nur ein Ersatz ist die versucht die Tiefe Sehnsucht nach Beziehung aufzulösen.
In diesem Sinne wünsche ich euch, dass ihr die Breite, Länge, Tiefe und Höhe der Liebe Gottes ergründen könnt.
Lass mich wissen, was du denkt …
Fühlt sich gut an, es ist wirklich so, dass es mit einem Mose als Vermittler oft leichter ist. ? Oft scheint Gott so weit weg zu sein. Nur Gott alleine reicht mir oft nicht!
Darüber werde ich noch weiter nachdenken, oder besser mit Gott ins Beziehungsgespräch gehen.
Liebe Chrissi,
So wahr! Und so viele meiner Bauchgedanken in Worte gefasst. Worte, die ich mich nie getraut habe zu formulieren, weil die Prägung so tief in einem drin sitzt. Nicht nur von der Christlichen Community, sondern in unserer westlichen Kultur. Mit jedem Atemzug unserer Erziehung haben wir das aufgesaugt.
Ich stelle mir vor, wie das wäre, wenn wir unsere Kinder mit dem Schwerpunkt Beziehung groß ziehen würden. Nicht die Fehler vorhalten. Nicht sagen, was alles nicht gut ist. Nicht das Messer umdrehen, wo das Kind die Messlatte gerissen hat. Zuhause, in der Schule, im Sportverein.
Eine Gesellschaft nicht mit dem Credo „Finde den Fehler“ sondern „wie kann ich dich frei setzen und wo sind meine Grenzen“.
Und da merke ich dann selber, wie schwer das ist zuhause, jeden Tag, im Alltag. Aber es ist schon immer mein Motto: Challenge accepted! Let’s try!
In diesen Sinne.
Danke für dein mutiges laut Denken!!
Liebe Crissi danke für deine Blogs
Dein Echtsein tut so wohl!
Die Sehnsucht in mir nach mehr, versuchte ich mit „Richtigtun“, und „Dabeisein“ an christlichen Aktivitäten zu stillen. Moralvorstellungen anderer und einige „Moses“ lenkten und bestimmten mein Denken, meine Zeit, meine Familie. Ich wollte dazugehören, deshalb machte ich alles mit und unterdrückte das Klemmen in meinem Herzen. Hinterfragen war wie Rebellion oder sich nicht unterordnen können, so wurde ich gelehrt. Der Schrei in meinem Herzen nach Ehrlichkeit und mich selbersein wurde immer lauter. Durch Corona wurde alles stillgelegt. So schön, ich hatte plötzlich ganz viel Zeit für mich, für lange Spaziergänge, ehrliche und echte Gespräche mit Jesus und meinem Mann. Unsere christliche „Karriere“, unser übernommenes Denken erschütterten uns. Soviel religiöses „Tun“ und „Machen“ und doch hat es nie gereicht. Fragen die ich nie wagte zu stellen, kamen endlich raus. Viele dieser Fragen werden vielleicht erst im Himmel beantwortet, dass halte ich aus, weil ich fragen darf.
„Es muss einfacher werden“ seit Jahren ein Ausspruch eines „Mose“, den ich sehr schätze. Ja, es wird definitiv einfacher! Mein Leben „entkompliziert“ sich, alle christlichen Aktivitäten fallen weg, Mündigkeit macht sich breit, das fühlt sich wunderbar an. Immer mehr spricht die Bibel und die Schönheit der Natur zu mir: Es ist vollbracht – ich bin geliebt – ich bin angenommen und deshalb reicht es! Ich habe mich aufgemacht, muss nicht alles im Griff haben, schaue hin und schweige nicht mehr immer. Oft unbequem und herausfordernd, aber immer befreiend, wenn ich das Gefallenmöchte einmal mehr überwunden habe. Das Leben ist so schön und spannend mit unserem Gott! Er freut sich an meinem Echt- und Nahbarsein!
Liebe Chrissi
Ja und meine Moral hat mich eingeengt und blind gemacht für den Vater, für Jesus und den Heiligen Geist.
Der Focus auf Gott statt die Tafeln erweiterte meine Sicht von ihm, von der Welt und von mir und den Meinen.
Du hast Recht, da würde Poli- tik beginnen !
Danke für deine Auseinandersetzung mit diesem Thema
Herzliche Elisabeth