Worte haben Macht?!

Nach einer so langen Pause wieder einen Post zu schreiben, fällt mir schwer. Ich möchte euch teilhaben lassen an dem Grund, warum ihr so lange nichts von mir gehört habt.

Der Grund ist Angst.

Ich habe Angst, dass ihr mich verurteilt, weil ich vielleicht anderer Meinung bin als ihr. Und ich habe Angst vor den Konsequenzen, die es haben könnte, da jeder lesen kann, was ich denke und glaube.

Ein Weg wäre jetzt, einfach zielsicher Menschenfurcht zu diagnostizieren und von mir zu erwarten, dass ich lerne, Gott mehr zu fürchten als die Menschen. Aber ich halte schon lange nichts mehr von schnellen Diagnosen und anschliessenden Bussgebeten. Denn was darauf folgt, ist meistens ein riesiges Gewürge, anders zu handeln, obwohl es sich immer noch genauso schrecklich anfühlt. Deshalb habe ich mir stattdessen Zeit genommen, meiner Angst ein bisschen nachzuspüren und zuzuhören.

Sollte euch das komisch vorkommen, empfehle ich euch das mal auszuprobieren. Es lohnt sich …, denn jeder Gedanke und jedes Gefühl haben einen guten Grund, warum sie da sind!

Meine Erfahrung zeigt, dass hinzuhören und seinem Inneren Raum zu lassen, um eine Lösung zu finden zu nachhaltigerem Frieden führt als uns immer wieder abzuwürgen und zu übergehen.

Ich möchte euch nun mitnehmen zu meinen guten Gründen für Menschenfurcht.

Ich komme aus Deutschland. Meine Grossväter waren Soldaten im 2. Weltkrieg und meine Eltern Kriegskinder. Sie sind mitten im nationalsozialistischen Klima geboren und aufgewachsen. Während ich meiner Angst zugehört habe, kam mir folgende Frage: Was wäre passiert, wenn meine Grosseltern oder Eltern anderer Meinung gewesen wären? Was wäre passiert, wenn sie einen Aushang aufgehängt hätten mit Kritik am Regime?

Die Antwort war schnell klar. Im besten Fall Gefängnis und Folter, im schlimmsten Fall Tod.

Sowohl die Wissenschaft als auch die Bibel sind sehr eindeutig der Meinung, dass Erlebnisse und Entscheidungen unserer Vorfahren Auswirkungen auf unsere Gene und unser Leben haben.

Deshalb habe ich mich nochmal eingehend mit dem Trauma meiner Eltern und Grosseltern beschäftigt … ich vermute nicht zum letzten Mal.

Der zweite Grund für meine Angst, kommt von meinen Erfahrungen mit Menschen, die an denselben Gott glauben wie ich.

Ich fürchte mich vor dem was Christen sagen könnten.

«das ist nicht biblisch», «du bist vom Glauben abgefallen», «das ist dämonisch inspiriert», «du bist dämonisiert», «das ist vom Teufel», «du bist auf Abwegen», «was du sagst ist verführerisch», «du bist ein Einfallstor für den Teufel», «du bist rebellisch» …

Leider habe ich in meinen knapp 20 Jahren Christsein schon alle aufgezählten Beispiele zu hören bekommen. Und ich kann euch sagen, es ist jedes Mal eine furchtbare Erfahrung.

Zurück bleibt Scham, das Gefühl falsch zu sein, sich beschmutzt zu fühlen, erniedrigt worden zu sein, Selbstzweifel und Einsamkeit.

Vieles von dem, was ich gehört habe, wurde als sogenannter «prophetischer Eindruck» betitelt. Oder die jeweiligen Urheber haben sich zumindest als Männer und Frauen Gottes verstanden, die den Willen Gottes ausführen.

Und während ich meiner Angst zuhöre, merke ich, wie viele Spuren und Wunden meine Mitchristen in meinem Herz hinterlassen haben. Meine Angst sind Wundschmerzen und ein Warnsignal meines Inneren um mich davor zu beschützen, dass mir diese Verurteilungen nicht nochmal passieren. (Kleine Randbemerkung an dieser Stelle: Angst ist immer ein Versuch, uns zu schützen!)

“ Worte sind Luft, aber die Luft wird zum Wind und Wind macht Schiffe segeln “ – Gotthold Ephraim Lessing

An dieser Stelle halte ich inne. Wie schreibe ich nun weiter?

Ich bin dazu geneigt, eine Presche zu schlagen für mehr Einfühlungsvermögen unter uns Christen. Ich würde gerne darüber scheiben, was für schreckliche Auswirkungen dieses Verhalten auf unsere Herzen hat, und dabei hoffen, dass dem einen oder anderen, der das liest die Augen aufgehen.

Aber ich habe das Gefühl, das würde nichts bringen. Diejenigen, die ähnliches erlebt haben, würden sich zwar bestätigt fühlen. Aber ich fürchte, diejenigen, die solche Sätze von sich geben, würden es dennoch nicht lassen. Schliesslich sind sie ja von Gott autorisiert. (Augenzwinker!)

Was schreibe ich euch also stattdessen?

Vor ein paar Tagen habe ich dieses Thema bewegt, während ich mit Gott im Gespräch war. Er hat mich an das Hohelied erinnert.

«Mächtige Wasser sind nicht in der Lage die Liebe auszulöschen und Ströme schwemmen sie nicht fort.»

Ich musste den Vers ungefähr zwanzigmal hören, bis ich eine Ahnung bekommen habe, was mir Gott sagen möchte.

Egal was passiert – egal was im Namen Gottes passiert, es ist doch unmöglich Gottes Liebe auszulöschen. Seine Liebe bleibt. Sie bleibt bestehen. Diese Liebe hält den mächtigen Wassern stand.

Das hat mir ein bisschen Frieden gegeben über das was wir uns gegenseitig antun. Es hat mir diese Schmerzen und Beschämung, die wir uns gegenseitig antun ein wenig entschärft.

Wenn Gottes Liebe bleibt und mächtige Wasser nicht fähig sind seine Liebe auszulöschen, dann kann diese Liebe jedes Herz berühren. Ob Opfer oder Täter. Seine Liebe hält jedem Satz und jedem Urteil stand. Ob gehört oder gesagt. Diese Liebe überwindet jede Auswirkung, die Worte haben.

Und mit dem möchte ich diesen Blog beenden.

Wenn du Verurteilung erlebt hast, segne ich dich mit Gottes Liebe, die nicht ausgelöscht wird von frommen Sätzen, vermeidlichen prophetischen Eindrücken und geistlicher Autorität.

Und wenn du jemand bist, der auch schon das eine oder andere Urteil ausgesprochen hat, segne ich dich mit der Liebe Gottes, die nicht ausgelöscht wird von frommen Sätzen, vermeidlichen prophetischen Eindrücken und geistlicher Autorität.

Lasst mich wissen, was ihr denkt….