Gottes Blick?!

Mein Plan war diesen Blogpost mit folgenden Worten anzufangen:

«Ihr Lieben, ich bin stinksauer.»

Heute Morgen habe ich dann aber einen Blogpost von Thorsten Dietz bei RefLab gelesen, der mich dazu gebracht hat, alles nochmal umzuschreiben. In seinem Post geht es um Weihnachten und um die Menschwerdung Gottes. Ich zitiere euch. was mich meinen Text hat ändern lassen:

«Schon mal bemerkt: Man schafft es nicht, sich vor einem Säugling zu schämen. Man ist nie falsch angezogen. Man glaubt sich die eigenen Haare schön. Kein Fleck auf dem Hemd irritiert. Wer auf einen Säugling blickt, versteht für diesen Moment den Ausdruck Bodyshaming nicht mehr so ganz. Man blickt in Augen, in denen noch niemals Schadenfreude gefunkelt hat. Die weder Häme noch Herablassung kennen. Und man möchte nichts anderes mehr sehen, weil dieser Anblick Hoffnung weckt. Zynismus zerfließt schneller als Kerzenwachs. Für die Verzweiflung ist eine Pausetaste gefunden.»

Das hat meine Wut in Traurigkeit verwandelt. Und irgendwie hat es Balsam auf mein Herz getropft.

Bei Gott in der Krippe müssen wir uns nicht schämen. Man blickt in Augen, die weder Häme noch Herablassung kennen.

Das tut mir so gut. Und konfrontiert mich gleichzeitig damit, dass mein Herz verletzt ist.

Vor ein paar Tagen haben wir eine Onlinewerbung bei Facebook gepostet für unsere Online-Abendschule für Prophetie, die im Februar startet. (Falls du interessiert bist, schau hier mal nach.)

Es ging nicht lange, bis ich die ersten sehr destruktiven Kommentare zu dieser Werbung von wildfremden Facebook-Usern lesen musste. Uns wurde unterstellt, naive Fromme auszunehmen, uns an traumatisierten Menschen zu bereichern und Irrlehrer und falsche Propheten zu sein.

Soweit ich das beurteilen kann, waren die meisten Kommentatoren Mitchristen.

Ich musste Worte voller Häme und Herablassung lesen. Und das von Menschen, die scheinbar an denselben Gott glauben wie ich. Ich mutmasse, sie hatten das Bestreben Gott zu dienen und Irrlehre und Verführung zu entlarven. Und jetzt fühle ich mich ein bisschen wie gesteinigt. Es waren nicht so viele Steine, dass ich daran sterbe, aber es haben doch ein paar getroffen.

Thorsten Dietz Worte haben mich konfrontiert mit zwei Welten, die nicht weiter auseinander liegen könnten. Menschen, die unter Gottes Flagge Steine werfen und daneben Gott in einer Krippe, der schwach daliegt und mich mit Babyaugen anschaut.

Das bricht mir das Herz.

Woher kommt dieser Zwang, alles in falsch und richtig einzuteilen?

Woher kommt die Angst vor Irrlehre und falschen Wegen?

Ist es vielleicht Teil unseres Glaubens, dass Gott uns nicht in den Himmel lässt, weil wir nicht die richtige Theologie geglaubt haben? Glauben wir, wir verlieren unser Seelenheil, weil wir nicht ganz sicher sind, was die Wahrheit ist? Gehört zu unserem Glauben, dass Gott uns bestraft, weil wir jemandem eine Sünde durchgehen lassen, statt ihn zu Busse und Heiligkeit aufzufordern?

“ Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die völlige Liebe treibt die Furcht aus; denn die Furcht hat Pein. Wer sich aber fürchtet, der ist nicht völlig in der Liebe. “ – Bibel

Ich möchte ehrlich sein mit euch! An solch einen Gott will ich nicht glauben.

Ich will nicht ständig auf der Hut sein müssen. Ständig bemüht, das Richtige zu tun, denn sonst hat es lebenswichtige Konsequenzen. Ich möchte nicht ständig ein Schwert über mir schwingen haben, das sofort zuhaut, wenn ich einen Fehler mache.

Aber ich gebe zu, ich habe einen Stachel in meinem Herzen, der mich regelmässig fragt: Bist du dir sicher, dass Gott nicht so ist? Willst du dir im schlimmsten Fall wirklich alles verspielen, nur weil dir das so nicht gefällt und du darin keinen Frieden findest?

Kurzum ich habe Angst! Ich habe Angst, dass Gott und seine Welt doch so sind.

Ist bei manchen die Angst vielleicht lauter als bei mir und deshalb sind sie im Namen des Herrn so gemein?

Da ich viel von Liebe, Barmherzigkeit und Gnade scheibe und rede, begegne ich regelmässig Menschen, die mich zu liberal finden. Oder Christen, die in meiner Nähe unbedingt erwähnen müssen, dass es keine billige Gnade ist, an die wir glauben und zur Liebe auch dazugehört, dass man sich für den anderen verändern möchte.

Um ganz ehrlich zu sein, nervt mich das mittlerweile. Und ich finde es mühsam zu hören, dass viele Christen vor dem liberalen Zeitgeist warnen.

Ich persönlich glaube, das Christentum ist schon lang einem Zeitgeist auf den Leim gegangen. Aber nicht dem Liberalen.

Sondern dem Zeitgeist der Leistung.

Im Vergleich zu einer Leistungsgesellschaft in der wir uns darüber definieren, was wir tun, in der Position und Macht ein wichtiges Gut ist und in der wir nach Höherem, Weiterem, Besserem streben macht die christliche Theologie nicht viel Unterschied.

Gott will Heiligkeit, Gott fordert Busse und Veränderung, wir wollen und sollen uns verändern, um Gott zu gefallen. Es braucht die Leistung von Jesus, der sein Leben gibt um uns freizukaufen, damit Gott uns überhaupt in seine Nähe lassen kann. Es braucht ein Leben der Nachfolge, der Demut und des Glaubens um Gott zu gefallen. Liebe alleine ist zu wenig. Gnade bekommen wir umsonst, aber danach müssen wir zeigen, dass wir es wirklich wollen und sie uns somit doch verdienen.

Aus meiner Perspektive ist das eine Leistungsgesellschaft mit Gott als Präsidenten.

Ich hoffe so sehr, dass es nicht so ist. Dass Gott ein Baby im Stall ist, das sich aus Liebe töten lässt, damit wir unsere Scham, unser schlechtes Gewissen und unsere Wunden überwinden können um in Gottes liebenden Armen zur Ruhe zu kommen.

Ich lasse jetzt Gott meine Wunden der Steinschläge versorgen. Und besuche Jesus in der Krippe, der zuallererst unverheirateten Teenagereltern, Wahrsagern und Hirten in die Augen geschaut hat.

Und euch wünsche ich Weihnachten und das Jahr 2021 unter diesem Baby-Blick!